Aufsuchende Familientherapie
1. Einleitung
2. Das Ziel
3. Der Prozessverlauf
4. Das Clearing
5. Die Zielgruppen und Inhalte
6. Die Rahmenbedingungen
7. Gesetzliche Grundlage
8. Die Kosten
1. Einleitung
Die aufsuchende Familientherapie (AFT) ist ein therapeutisches Angebot an Familien im privaten häuslichen Umfeld.
Die fachliche Begründung ist, dass bei chronischen und generations-übergreifenden Krisen pädagogische Hilfen häufig nicht angenommen werden (können). Ein therapeutisches Verständnis der Konfliktlagen ist notwendig. Dazu gehört die Einbeziehung von Beziehungserfahrungen, Selbstregulation und Familienerleben.
Der aufsuchende Charakter ermöglicht, die Familie in ihrem Lebensumfeld direkt zu erleben. Eventuell bestehende Barrieren gegenüber der Therapie können durch die aufsuchende Arbeit reduziert werden. Dies betrifft auch den Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Sie können im häuslichen Rahmen leichter erreicht und eher einbezogen werden, auch bei anfänglicher Skepsis.
Die Arbeit vor Ort erleichtert Interventionen in der Familie, z.B. die Entzerrung bei Konfliktlagen durch veränderte Raumaufteilung, Besuch eines Jugendlichen in seinem Zimmer, Hilfe beim Herstellen einer adäquaten Umgebung für ein Kind.
2. Das Ziel
Das Ziel der Familientherapie ist es problemerhaltende Handlungsmuster zu verändern ...
... und neue, erfolgreichere Lösungsstrategien anzuregen sowie vorhandene Ressourcen zu aktivieren. Die Unterstützung richtet sich an Eltern als verantwortliche Personen und deren Kinder.
Ziel der Arbeit ist es, dass die Eltern ihre Haltung kompetent erleben, angepasst an die altersgemäßen Bedürfnisse ihrer Kinder.
3. Der Prozessverlauf
Die erste Zeit nutzen wir, um eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung mit der Familie aufzubauen.
Inhalte sind eine systemische Diagnostik der Familie und die Unterbrechung destruktiver Muster sowie Interventionen, die der Entlastung dienen und Handlungsspielräume eröffnen. Unter Berücksichtigung der familialen Ressourcenlage werden kurzfristige und weiterreichende Ziele miteinander vereinbart.
Nach spätestens drei Monaten ziehen wir mit allen Beteiligten ein Resümee und erstellen einen Bericht. In der Folgezeit arbeiten wir mit der Familie an den gemeinsam formulierten Zielen. Die Zieldefinition beinhaltet ein Zeitfenster zur Beendigung der Hilfe. Wöchentliche Kontakte werden zu zweiwöchentlichen bis monatlichen Treffen reduziert, sobald die Familie sich als ausreichend stabilisiert erlebt.
Bei akuter Kindeswohlgefährdung und ressourcenschwachen Familien haben sich wöchentliche Kontakte bewährt. Eine Kooperation mit anderen Hilfen (z.B. SPFH) kann im Einzelfall indiziert sein.
4. Das Clearing
Unabhängig vom Prozessverlauf bieten wir für Jugendämter ein Clearing an, falls Unklarheiten bestehen, welche Hilfeform für die Familie angemessen ist.
In 8-12 Familieneinheiten besprechen wir mit der Familie und den relevanten Institutionen den Hilfebedarf und geben anschließend eine Empfehlung (Berichtserstellung).
Ein Clearing kann sich in Fällen von langjährigen “Hilfeschleifen” der Familie durch verschiedene Institutionen (Multiinstitutionsfamilien) und bei Unsicherheiten bezüglich der Ressourcenlage in der Familie als hilfreich erweisen.
Bei Bedarf übernehmen wir die Koordination der Institutionen, um die Hilfe optimal anzupassen.
5. Die Zielgruppen und Inhalte
Aufsuchende Familientherapie kann in folgenden Situationen indiziert sein:
Familien in akuten Krisen in denen Kinder mit Symptomen reagieren (Interaktionsdiagnostik, Moderation von Abstimmungsprozessen, Behandlung von Beziehungskonflikten).
Familien mit multiplen Problemlagen (Ressourcencheck, Arbeit an entsprechend angepassten Entlastungs- und Veränderungsmöglichkeiten).
Familien in Umbrüchen (Begleitung bei Trennungen, Scheidungen und anderen lebenszyklischen Übergängen).
Patchworkfamilien, Stieffamilien (Ausloten von Zuständigkeiten und Rollen).
Pflegefamilien (Begleitung und Anleitung, Abstimmung zwischen Herkunftsfamilie und Pflegefamilie).
Alleinerziehende (Entlastung bei Überforderungen, Erziehungsberatung unter Berücksichtigung biografischer Voraussetzungen).
Familien in denen unklar ist, ob Kindeswohl gewährleistet ist (Ressourcencheck, Bindungsdiagnostik).
“Junge” Elternschaft (Das Wahrnehmen und sich Einstellen auf die altersgemäßen Bedürfnisse des Kindes).
Familien, in denen ein Elternteil psychisch erkrankt ist (Fördern der Besprechbarkeit von Erkrankungen in der Familie, Entlastung der Kinder).
6. Die Rahmenbedingungen
In der aufsuchenden Familientherapie sind folgende Rahmenbedingungen für uns "Standart"
Arbeit im Mann-Frau Team (Co-Team)
Die Co-Therapie ermöglicht erweiterte Reflexions- und Interventionsmöglichkeiten und eine verantwortliche Wahrung der Allparteilichkeit bezogen auf die Familienmitglieder. Sie ist notwendig um die innere Distanz der Therapeuten im häuslichen Umfeld zu gewährleisten.
Desweiteren ermöglicht die Arbeit zu zweit der Familie ein “Lernen am Modell” bezogen auf Reflexion und Umgang der Therapeuten miteinander und in der Interaktion mit der Familie.
Zeitrahmen
Die Termine werden flexibel mit der Familie vereinbart. Die Dauer der aufsuchenden Familientherapie liegt in der Regel zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Es gibt Ausnahmen vor allem bei psychiatrischen Krankheitsbildern.
Unfreiwilligkeit/Zwangskontext
Nach unserer Erfahrung gibt es Arbeitsbündnisse, die auf Unfreiwilligkeit und einer mehr oder weniger ambivalenten Haltung bestehen. Dem gilt es in der Beziehungsarbeit von unserer Seite aus Raum zu geben.
Bei Zwangskontexten ist eine klare Rollenaufteilung notwendig, um mit der Familie ein Arbeitsbündnis zu erreichen. Das Jugendamt übernimmt in diesen Fällen den gesetzlichen Kontrollauftrag der zu erreichenden Ziele, die wir im therapeutischen Prozess mit der Familie erarbeiten.
Vertrauensschutz
Es gilt die Schweigepflicht über die Inhalte der therapeutischen Arbeit gegenüber Dritten, d.h. auch gegenüber dem auftraggebenden Jugendamt. Ausgenommen ist eine akute Gefährdung des Kindeswohls. Informationen über den Verlauf der Hilfe an das Jugendamt werden immer mit der Familie vorbesprochen.
Evaluation
Wir dokumentieren die Beratungsverläufe und befragen die Familien in regelmäßigen Abständen nach Beendigung der Therapie nach ihrer empfundenen Entwicklung. Es erfolgt eine abschließende fachliche Bewertung des Hilfeprozesses.
Qualitätssicherung
Die Qualitätssicherung umfasst eine regelmäßige Supervision unserer Arbeit durch einen erfahrenen Lehrtherapeuten. Wir nehmen an mehreren themenbezogenen Weiterbildungen im Jahr teil, um unser fachliches Repertoire zu vertiefen und auszubauen. Wir nutzen den fachbezogenen Austausch mit anderen AFT Anbietern in Deutschland, schwerpunktmäßig in NRW, sowie mit anderen Fachleuten, wie MitarbeiterInnen des ASD, Kinder- und JugendpsychiaterInnen und KollegInnen aus Psychologischen Praxen. Dies ermöglicht uns unsere Arbeit zu überprüfen, weiter zu entwickeln und den Erkenntnissen und Herausforderungen anzupassen.
7. Gesetzliche Grundlage
Die aufsuchende Familientherapie bieten wir als Leistung im Rahmen der Jugendhilfe SGB VIII (KJHG) § 27.3 an.
8. Die Kosten
Die Berechnungsgrundlage für eine familientherapeutische Sitzung bildet die Anzahl der Fachleistungsstunden (FLS) und der Familientherapeuten (FT), das heißt der Arbeit im Co-Team.
Der Stundensatz wird mit uns und dem auftraggebenden Jugendamt in Form
einer Leistungs-,Qualitätsentwicklungs und Entgeldvereinbarung vereinbart.